 | Folge der Magie - 2025 |  |
DURCH DIE LUFT
Da der Frost das schöne Feo noch voll im Griff hatte, zog ich meine wärmsten Fellsachen an, um zu den
ausländischen Händlern am Hafen hinter dem Schloss zu gelangen. Ich ging zu Fuß, denn mochte die
kühle Winterluft und meine Gedanken schweiften nach hier und nach da. Als ich ankam konnte ich ein buntes Boot
nach dem anderen bestaunen. Viele tolle Waren hatten die Händler fein arrangiert und luden zum Kaufen
ein.
Stoffe, Gewürze, Naschereien, sogar auch Rüstungen und allerhand Sachen, die ich noch nie gesehen hatte.
Ich stieg zu einem Teppichhändler auf ein größeres Schiff, denn mein Wandbehang war sehr in die
Jahre gekommen. Doch mir gefiel nichts, nicht einmal der Teppich, der halb versteckt unter zwei großen Kisten
lag. Ich legte ihn wieder zu dem Stapel mit den anderen Textilien und wollte von Board gehen. Jetzt muss ich
wirklich sagen, ich bin absolut kein Tollpatsch. Doch über irgendetwas stolperte ich und fiel doch
tatsächlich über die Reling.
Es ging unheimlich schnell und ehe ich mich versah, fiel ich nicht mehr Richtung Wasser, sondern ich flog durch die
Luft. Der unscheinbare Teppich, den ich unter den Kisten hervor geholt hatte, hatte mich aufgefangen und trug mich
nun fort. Fort vom Hafen, von meiner Heimat. Dies war eine interessante Art, in ein neues Abenteuer zu stolpern und
der Kälte zu entfliehen.
NEUE FREUNDE, NEUE FEINDE
Das Zeitgefühl hatte ich längst verloren, denn der Teppich flog mich durch
endlose Himmel und Wolken. Mir fiel auf, dass die Luft allmählich wärmer wurde.
Ich hatte ihn mehrfach angesprochen, aber keine Reaktion. Schließlich schwieg ich, immerhin wollte ich ihn
auch nicht stören.
Als sich die Wolken auflösten, sah ich nichts und damit meine ich absolut nichts. Eine weite, trockene
Wüste so weit mein Auge reichte bot mir einen trostlosen Anblick. Dann entdeckte ich eine kleine Stadt, auf
die der Teppich zusteuerte. Nachdem wir uns weiter genähert hatten, erkannte ich ein buntes Fest in den
Gassen der Stadt. Alles war mit Girlanden und Luftballons geschmückt und anscheinend waren gelegentlich
eine Frau und ein Mann durch ein Band um jeweils ein Handgelenk verbunden. Natürlich meldete sich sofort
meine Neugierde und der Teppich schien es zu spüren, denn er suchte sich einen Platz zum landen.
Wie könnte es auch anders sein, gelang es ihm nicht wirklich gut und ich fiel knapp über dem Boden
hinunter. Ein kleines Stück weiter saß jemand mit dem Rücken zu mir.
Dieser Jemand war eine junge Frau, die so in Gedanken vertieft war wie ich es nur von dem Ältesten kannte.
Meinen Teppich hatte sie ebenfalls nicht bemerkt (der inzwischen auf einem alten, kaputten Karren lag und sich
wahrscheinlich ausruhte).
Sie war wirklich ausgesprochen hübsch und schien einen klugen Geist zu haben.
Anscheinend war dies nicht nur mir aufgefallen, denn ein grimmiger Herr mit einem großen Turban auf dem
Kopf kam in Begleitung zweier Wachen und wollte ihr eins der Bänder anlegen, die ich bereits in der Luft
bei anderen hatte sehen können. Nach einem kurzen Wortwechsel, den ich nicht verstand, wehrte sie ihn ab,
doch diese Ablehnung gefiel dem Herrn überhaupt nicht. Er fluchte und schwor, dass er ihr Leben
zerstören würde.
Ich konnte nur zusehen, da ich die Sitten und Bräuche in diesem Land noch nicht kannte.
Als er weg war, lief ich hin um sie zu trösten. Nach ein wenig Überzeugungsarbeit erzählte sie
mir, was hier vor sich ging. Es war eine Art Zeremonie, vorbereitend für das große Sternenfest. Man
suchte sich einen Partner und durch die uralte Magie des Sternenfestes wurde man dann miteinander für immer
verbunden. Sie hatte sich auch unsterblich verliebt und gewartet, dass er kam und sie beide symbolisch mit einem
Band verbinden würde. Doch dann hatte der hiesige Sultan ihn einsperren lassen, um sie für sich zu
haben und ihre Pläne somit zunichte gemacht.
Mit Tränen in den Augen sah sie mich an und ich versprach ihr, alles zu tun um ihr zu helfen.
DAS WUNDER DER LAMPE
Der Frau, Aleyna, zu helfen, stellte sich als kompliziert heraus. Der Sultan war unrechtmäßig an die
Macht gekommen, mehr wollte oder konnte sie mir auch nicht sagen. Angeblich verfügte er auch über
Magie – und Magie kann am besten mit Magie bekämpft werden.
Sie erzählte mir von einem Artefakt, das tief in der Wüste in einer Oase verborgen war. Doch niemand
hatte es bisher gefunden, da diese Oase wie eine Laune der Natur mal da und mal dort auftauchte, ohne einen
Rhythmus, mit dem man sie hätte erahnen können.
Also packten wir so viel Proviant ein, wie wir tragen konnten, und machten uns auf den Weg in dieses
sagenumwobene Wüstengebiet. Ich schwöre bei allem, was mir lieb ist, so viel Sand hatte ich noch nie
in meinem Leben um mich herum! Er war einfach überall. Nach ein paar Stunden war es schon lästig, nach
zwei Tagen schon fast unausstehlich und nach sieben Tagen trostloser Leere waren wir inzwischen genauso trostlos
und vor allem hoffnungslos.
Da unser Proviant zur Neige ging, machten wir uns auf den Weg zurück in die Stadt. Auch wenn Aleyna die
Gegend gut kannte, war ich mir sehr sicher, dass sie keine Ahnung mehr hatte, wo genau wir waren. Wir wanderten
einfach weiter umher, wie zwei leere Hüllen. Das Wasser hatten wir stark rationiert, und es ging immer
weiter zur Neige, ohne dass die Stadt in Sicht war – was unsere Situation nicht besser machte.
Ich hatte mein Zeitgefühl verloren, als wir endlich Palmen entdeckten. Und wo Palmen waren, da gab es auch
Wasser! Dies gab uns neue Kraft, und wir schleppten unsere müden Körper zu dem Fleckchen
Grün.
Wir fanden Wasser und bunte, essbare Früchte und füllten unsere Vorräte auf.
Als wir gerade aufbrechen wollten, stolperte ich. Es war ein Teil von einer alten, verschimmelten Kiste. Meine
Neugierde siegte natürlich, und ich grub den Rest mit den Händen aus. Ohne zu zögern öffnete
ich den unverschlossenen Deckel, und da lag sie, gebettet auf rotem Samt, der gar nicht zur Kiste passte. Eine
Lampe.
DAS BUNTE TIER
Für eine magische Lampe war sie ziemlich unscheinbar. Weder Aleyna noch ich hatten eine Idee, wie sie
funktionieren könnte, also ließen wir sie in ihrem Samtbett liegen. Leider mussten wir nun zu
zweit die Kiste bis zur Stadt zurück tragen. Der Weg war auch schon ohne zusätzliche Last schwer
genug gewesen und wir wussten auch nicht, wo genau wir hin gehen mussten.
Ich ärgerte mich, dass ich den Teppich nicht mitgenommen hatte, sondern ihn sicher bei Aleyna zu Hause
verstaut hatte. Wahrscheinlich war dies meine einzige Möglichkeit, irgendwann nach Abschluss dieses
Abenteuers nach Hause zurück zu kehren.
Wir hatten uns entschlossen, eine Nacht in der Oase zu bleiben um einmal mehr Kraft zu tanken.
Am nächsten Morgen erwachten wir oder besser gesagt, wir wurden von einem Schnaupen aus dem Schlaf
gerissen. Neben uns lag - glaubt es mir wenn ich es euch erzähle, es ist kein Scherz - ein Kamel. Doch
natürlich war es nicht irgendein Kamel, es war von Kopf bis Fuß total bunt! Rot, Grün, Blau,
Gelb, Lila, ... Eigentlich gab es keine Farbe, die nicht auf dem Tier zu finden war. Es lag da total
entspannt, als wären wir schon Monate lang mit ihm gereist. Nach einem kurzen Kennenlernen, luden wir
die Kiste und unseren Proviant auf das bunte Kamel und marschierten los. Natürlich dem Tier hinterher,
denn es spendete nicht nur Schatten, sondern trug auch unsere wertvolle Last schnurstracks in eine bestimmte
Richtung.
Aleyna und ich beschlossen in stiller Übereinkunft, dem Tier zu folgen.
Es gab bestimmt dümmere Ideen, als einem bunten Kamel zu vertrauen, oder?

DIE 40 STERNE
Wir marschierten den ganzen Tag. Als es dunkel wurde, wunderten wir uns doch ein wenig. War der Hinweg
wirklich so lang gewesen? In der Wüste ist es nachts stockduster. Wir wollten Rast machen, doch unser
Freund, das bunte Kamely lief einfach weiter. Wir hielten unsere Hände an dessen Seiten, um es nicht zu
verlieren.
Ich erinnerte mich an alte Geschichten, wie 1001 Nacht und die 40 Räuber. Gelegentlich fragte ich meine
Reisegefährtin danach, doch Aleyna belächelte sie nur.
Plötzlich konnten wir tausende Lichter vor uns sehen. Es war keine Sinnestäuschung, dort vor uns
erhellten wunderschöne Papierlaternen in allen Mustern und Farben die man sich vorstellen konnte den
Nachthimmel.
Es war das Sternenfest, die Zeit, in der die Pärchen vor ihren Familien bei einer Zeremonie offiziell
einen Bund eingingen. Das war wohl ihre Art zu heiraten.
Aleyna führte mich durch die engen Gassen zu ihrem bescheidenen Heim. Natürlich wartete ihr
Geliebter dort heimlich auf sie. Schnell war unsere Reise erzählt, denn es war fast Mitternacht und das
Ende des Festes rückte immer näher. Beide hatten Familie, doch es war zu spät. Daher baten
sie mich, ihr Zeuge zu sein und mit ihnen die Zeremonie abzuhalten - diese Ehre nahm ich natürlich an
und begleitete die beiden zu ihrem Glück.
Später bei ihrem kleinen, kargen Mahl, was zur Zeremonie gehörte, erzählte sie mir den
Ursprung dieses Festes.
Ein Vater wollte seine Tochter nicht in die Hand eines Mannes aus der unteren Gesellschaftsschicht geben.
Sein Glauben gehörte dem Himmel und den Sternen. Er sagte zu den Liebenden: Erst wenn alle ihm
bekannten Sternbilder zeitgleich leuchteten, würde er ihrem Bund zustimmen. Die beiden verabredeten
sich für die nächste Nacht, um gemeinsam fort zu laufen, ihr Leben aufzugeben für ihre Liebe.
Und da geschah es - alle Sternbilder leuchteten auf einmal. Der Vater zählte 40 von ihen und er kannte
bei weitem nicht alle. Er hielt sein Wort und die beiden wurden glücklich.
Seither feierte man diese Nacht und die Papierlaternen symbolisierten die leuchtenden Sterne.
Eine wunderschöne Geschichte, doch ich fragte mich, ob die beiden dem Vater nicht etwas heimlich
verabreicht hatten, dass er auf einmal leuchtende Sterne sieht... Warum auch sonst sollte dieses
Phänomen auftreten?
VERSTECKEN
Natürlich blieb dem Sultan unsere Rückkehr nicht lange verborgen und auch der Bund von Aleyna
und ihrem Geliebten war kein Geheimnis mehr. Gerüchten zufolge tobte er vor Wut, denn nun konnte er
nichts mehr machen. Es hieß, er wolle nicht, dass Aleyna mit jemand anderem glücklich ist,
daher wolle er ihren Geliebten umbringen lassen.
Wir wollten nicht herausfinden, ob etwas Wahres an diesen Gerüchten dran war und entschieden uns,
die Lampe und einige Habseligkeiten auf unser buntes Kamel zu schnallen und schleunigst zu verschwinden.
Ich dachte diesmal sogar an meinen Teppich, doch er schien seine Magie verloren zu haben.
Schnell wurde klar: Auf unseren Freund war Verlass. Er wusste anscheinend genau, dass wir ein Versteck
brauchten, und führte uns zielsicher in eine Richtung. Wir marschierten tapfer durch den
heißen Wüstensand hinter ihm her – wohl wissend, dass wir langsamer waren als die
Häscher des Sultans und dass sie uns sicher bald einholen würden.
Der unsichtbare Weg unseres bunten Freundes führte zu einer Sandsteinhöhle, die so gut getarnt
war, dass man sie erst erkennen konnte, wenn man bereits in ihr stand. Es war einfach perfekt, um sich
auszuruhen und Pläne zu schmieden. Aleyna wollte nicht aufgeben – und schließlich
hatten wir immer noch die Zauberlampe.

DER GEIST AUS DER FLASCHE
Es war hoffnungslos. Egal was wir auch versuchten, wir konnten die Lampe nicht aktivieren. Langsam fragte ich
mich, ob es überhaupt die richtige war. Nicht selten liefen wir ziellos in der geräumigen
Sandsteinhöhle umher, grübelnd, verzweifelnd. Es gab hier sogar eine kleine Quelle mit
Süßwasser, wir hatten die Sterne auf unserer Seite - wie Aleyna mehrmals sagte. Doch die Sterne
halfen uns nicht gegen den Sultan.
Unser Essen wurde knapp, daher lief ich mit unserem bunten Kamel los, um Essen zu besorgen. Mich kannte keiner,
es schien die sicherste Möglichkeit zu sein. Unser Freund führte mich in ein Lager von Händlern
und ich bezahlte für Obst, Brot und etwas Dörrfleisch, wie es mir aufgetragen wurde. Mir viel ein
einziger kleiner Korb mit Kirschen auf, da musste ich nicht lange überlegen. Vielleicht waren diese genauso
gut wie die in der Welt jenseits des Kaninchenlochs.
Voll gepackt brachte mich das bunte Tier wieder zielsicher zurück in die Sandsteinhöhle. Stolz zeigte
ich die Kirschen - doch weder Aleyna noch ihr Geliebter hatten jemals solche Früchte gesehen. Es war
seltsam, daher setze ich mich zu ihnen auf den Teppich. Die Lampe lag nach einem erneuten erfolglosen Versuch
sie zu aktivieren in unserer Mitte. Ich stellte die Kirschen daneben und wollte demonstrieren, wie man auf den
Kern achtete und sie essen konnte. Doch bevor ich einen nehmen konnte, fing die Lampe plötzlich an zu
glühen und zu vibrieren. Das bunte Kamel schnaubte am Rand der Höhle, dann erschien ein Flaschengeist.
Es war eine rote Dschini. Sie verneigte sich tief und begann dann, die Kirschen zu essen, während wir sie
nur mit offenen Mündern anstarrten.
Natürlich fragten wir uns alle - woher kamen die Kirschen? Und was war das für ein verrückter
Flaschengeist, der diese Früchte so liebte?

DAS UNGEHEUER
Nachdem sie alle Kirschen gegessen hatte, unterhielten wir uns eine Weile mit ihr. Wir hatten tatsächlich nur
einen Wunsch frei, was mich ein wenig enttäuschte - aber für unser Dilemma mit dem Sultan sollte es hoffentlich
reichen. Sie verstand unsere Situation und hatte versprochen, zu helfen - auch um die Macht wieder ins
Gleichgewicht zu bringen.
Also packten wir unsere Sachen und machten uns auf den Weg in die Heimat, doch weit sollten wir nicht kommen.
Wir fanden eine weitere Oase, die meinem Gefährten nicht bekannt war. Da unsere Beine müde waren und die Magen
knurrten, machten wir Rast an dem kleinen, spiegelklaren See und aßen unter den Palmen ein karges
Mahl.
Platsch. Es war nur ein kleines platschen, aber keiner von uns hatte auf den See geachtet. Unser bunter Freund
war auf einmal sehr unruhig und die Tasche mit der Lampe rutschte fast von seinem Rücken. Da war es wieder! Ein
kleiner, bunter Fisch sprang aus dem Wasser und verschwand mit einem erneuten platschen. An einer anderen Stelle
das gleiche. Plötzlich wimmelte es nur so von den bunten Fischen. Wir sahen ihnen fasziniert zu, bis einer der
Fische am Ufer landete. Wie eine Kröte kroch er auf uns zu und immer mehr machten es ihm nach. Schnell verging
uns das Lachen, denn sobald diese Fische den Boden berühren, hatten sie Zähne wie Piranhas! Sofort packten wir
alles zusammen und wollten fliehen, doch die Palmen standen plötzlich so dicht, dass wir nicht mehr vom See weg
kamen. Immer näher kamen die gefräßigen Fische und ich versuchte, unser Kamel zu beruhigen. Doch es schlug
panisch um sich und die Lampe viel aus der Tasche. Sofort nahm ich sie in die Hand - und die Dschini erschien.
Sie hatte die Situation schnell begriffen, stellte sich vor uns und breitete die Arme Richtung See
aus.
Sie schickte einen Schwarm Mücken, so dunkel wie eine Gewitterwolke, auf den See hinaus. Es half, die Fische
kochen zurück ins Wasser und fingen sich ihre Beute.
Im See sahen sie dann wie wieder wie ganz normale wunderschöne, bunte Fische aus. Die Dschini vermutete eine
Falle des Sultans, denn sie spürte Böse Magie. Dann fragte sie nach Kirschen, was uns lächeln lies. Da auch die
Palmen wieder an ihrem Platz standen, nahmen wir die Beine in die Hand und verließen die Oase - natürlich nicht
ohne unserer Dschini zwei Körbe mit Kirschen versprochen zu haben.

WIE STÜRZT MAN EINEN HERRSCHER?
Schnell waren wir zurück in der Stadt und konnten unbemerkt Aleynas Haus erreichen. Mein Teppich freute sich,
uns wieder zu sehen und freundete sich offensichtlich mit dem bunten Kamel an - doch mich überraschte
mittlerweile nichts mehr.
Ich ging nochmal hinaus, um auf dem Markt jede Menge Kirschen zu besorgen und achtete besonders bei meiner
Rückkehr, dass mir niemand folgte.
Dann saßen wir zusammen und recherchierten, überlegten und schmiedeten einen Plan nach dem anderen, um den
Sultan zu stürzen. Nachdem die Dschini sich an den Kirschen satt gegessen hatte, versicherte sie uns, dass sie
den Sultan nur berühren musste. Dann könnte sie ihm seine Magie nehmen und als normaler Mensch hätte er dann
keine Macht mehr über uns. Dann verschwand sie in ihrer Lampe und wir überlegten weiter, bis wir uns ein paar
einigermaßen gute Ideen zurecht gelegt hatten. Vor uns lagen stapelweise Papiere und einzelne Seiten, ein
solches Chaos hatte ich lange nicht mehr gesehen. Ich hatte keine Ahnung, zu welchen Schriftstücken die Seiten
gehörten, also war ich nicht die erste Wahl, sie zu sortieren. Daher sah ich nochmal nach unserem bunten Kamel
und versorgte es.
Es war schon früh am Morgen als wir alle müde in die Betten fielen. Aber wir hatten einen Plan.

DAS GRUSELIGE GEHEIMNIS
Natürlich hatten wir keine Chance, unseren Plan umzusetzen. Am nächsten Morgen stürmten die Hescher des Sultans
das Haus und wir wurden alle in den Palast gebracht. Wenn ich alle sage, meine ich auch alle - sogar den Teppich
und das bunte Kamel wurden mit uns in die Kerker geworfen. Zum Glück jedoch hatte niemand die Lampe entdeckt,
die in meiner Wamstasche sicher und gut versteckt war. Aber leider hatte keiner von uns ein paar Kirschen
schmuggeln können.
Wir wurden bewacht und den ganzen Tag ließ sich niemand blicken. In der Nacht verschwand die Wache und ein
kleines Mädchen tauchte auf. Sie erzählte uns schnell, dass alle Untertanen des Sultans über die Jagd Bescheid
wussten und uns für unseren Mut und unsere Kühnheit bewunderten. Daher versuche jeder sein Möglichstes, um uns
zu helfen. Sie hatte mit ihren Freunden die Wache ausgetrickst und den Schlüssel gestohlen - wieder frei brachte
das Mädchen uns bis oben an die Treppe aus dem Kerker heraus in den Palast. Eine Dienstmagd erwartete uns und
führte uns in einen abgelegenen Teil des Palastes, wo wir in einem Zimmer mit von Tüchern abgedecktem Mobiliar
Wasser und Brot gereicht bekamen.
Ein Diener löste sie ab und erzählte uns von dem Sultan: seine Gewohnheiten, den regulären Tagesablauf und die
beste Möglichkeit, an ihn ran zu kommen. Dies war bei der täglichen Audienz, die morgens stattfinden sollte.
Vielleicht hatten wir Glück und unsere Flucht wurde nicht entdeckt. Der Diener zwinkerte nur und wurde von drei
geschickten Schneiderinnen abgelöst, die uns Bettlergarderoben als Tarnung nähten. Sie arbeiteten die ganze
Nacht während wir uns ausruhen, denn der Tag morgen würde alles entscheiden. Doch kaum einer von uns tat ein
Auge zu. Die Horrorgeschichte, wie der Sultan von einer seiner Geliebten verraten und ermordet wurde, schwirrte
uns im Kopf herum.
Sie hatte ihn mit seinem Lieblingsessen, Kürbis Ragout, vergiftet und er hatte seine Magie einsetzen können, um
sich in den Geist verwandeln zu können, der er jetzt war. Dies erklärte auch seine Reaktion auf Aleynas
Ablehnung. Die Schneiderinnen waren fast fertig, als wir endlich in eine unruhigen Schlaf fanden. Würde morgen
das Schicksal auf unserer Seite sein?

HAPPY END
Als wir erwachten, hatte uns jemand Kirschen gebracht. Natürlich riefen wir sofort unsere Dschini und erzählte
ihr die Geschichte des vergifteten Sultans. Sie nahm diesmal alle Kirschen und verschwand ohne eine Erklärung.
Enttäuschung machte sich breit, denn sie war unsere letzte Chance gewesen. Jedoch gab es auch keinen Weg mehr
zurück, alle zählten auf uns - irgendwie mussten wir es einfach schaffen, den Sultan zu besiegen. Wir
beschlossen, einfach in seinen Thronsaal zu stürmen und dann zu improvisieren. Eine merkwürdigere Formation
bestehend aus zwei Einheimischen, einem Fremden, einem fliegenden Teppich und einem bunten Kamel würde es wohl
auch in der Zukunft nirgends mehr geben.
Der Sultan hatte uns schon erwartet, unsere Flucht war natürlich nicht unentdeckt geblieben. Doch diesmal stand
er allein gegen uns, selbst seine letzte Wache hatte sich nun gegen ihn und seine Schreckensherrschaft gestellt.
Doch mit seiner Magie hatten wir keine Chance, er warf uns alle um wie Schachfiguren in einem Spiel. Aleyna
klammerte sich an ihren Mann und weinte, daß Kamel lag schnaufend auf der Seite und der Teppich lag
zusammengefallen und bewegungslos auf dem Boden. Ich rappelte mich mit der Kraft der Wut in meinem Körper auf
und stellte mich ihm entgegen, hatte aber gleichzeitig keine Ahnung was ich noch tun konnte. Der Sultan lachte
nur. Dann plötzlich lachte noch jemand. Eine helle, schrille Stimme und sie ließ den Herrscher sofort
verstummen. Ein Geist erschien, dicht gefolgt von unserer Dschini. Sie hatte uns also doch nicht im Stich
gelassen! Der Geist war weiblich und ich nahm an, dass sie die Geliebte des Sultans war, die ihn vergiftet
hatte. Dieser lief nun im wahrsten Sinne des Wortes rot an und brüllte vor lauter Zorn. Er beachtete uns keines
Blickes und richtete seine ganze Magie auf den Geist.
Alle die noch bei Bewusstsein waren, suchten sich Schutz, doch noch bevor der böse Sultan seine Macht freisetzen
konnte, explodierte er in einem grellen Licht und wurde von seiner eigenen Magie verschlungen. Geblendet
blinzelten wir zu der Stelle, an der er eben noch gestanden hatte. Der Sultan war verschwunden und der Geist
seiner Geliebten mit ihm. Mit einem schiefen Lächeln im Gesicht malte ich mir aus, wie sich die beiden in einer
anderen Welt gegenseitig anschrieen - bis in alle Ewigkeit.

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